Winter 1978/79 von
Thomas Sävert
Vor mehr als 40 Jahren versanken große Teile Norddeutschlands im Schnee. Ein erster Schneesturm legte ab dem 28. Dezember 1978 zunächst die Nordhälfte Schleswig-Holsteins und Rügen/Usedom sowie das angrenzende Festland in Mecklenburg-Vorpommern lahm, bevor der extreme Kaltluftvorstoß bis zum Jahreswechsel auch das übrige Deutschland erfasste. Mitte Februar wiederholte sich die gefährliche Lage mit einem mehrtägigen Schneesturm, der fast ganz Norddeutschland meterhohe Schneeverwehungen brachte. Das öffentliche Leben kam zum Erliegen und mehrere Menschen kamen ums Leben. Einen kleinen Nachschlag gab es Mitte März 1979 und sogar Anfang Mai meldete sich noch mal kurz der Winter zurück. Ich möchte hier einige meiner eigenen Erlebnisse schildern, zusammen mit Fotos von damals, Wetterkarten und einigen Links. Diese Seite kann allerdings nur einen kleinen Eindruck der brenzligen Lage widerspiegeln. Wenn auch Sie einen Erlebnisbericht zum Winter 1978/79 geschrieben haben oder Fotos von damals besitzen, dann schicken Sie doch einfach eine Mail. Ich verlinke Ihren Bericht gern oder stelle ihn ins Netz, wenn Sie keine eigene Seite haben.

Wetterlage Dezember 1978
Wetterlage 30.12.1978, 00 UTC

Schnee Dezember 1978
Flensburg Dez. 1978

Schnee Dezember 1978
Anfang Januar 79 (Schl-Holst.)
Für weitere Fotos bitte auf die Bilder klicken.
Der Schneesturm zum Jahreswechsel:
Im Dezember 1978 schwankte das Wetter in Mitteleuropa hin und her, mal gab es starke Kaltluftvorstöße, mal wurde die kalte Luft von deutlich milderer verdrängt. Aber dass es so schlimm kommen würde, ahnte wohl fast niemand. Näheres zur Wetterlage Ende Dezember 1978 auf einer eigenen Seite.
Ich selbst erlebte den ersten Schneesturm im Südwesten von Schleswig-Holstein, in der Nähe von Itzehoe. Hier regnete es am 28. Dezember immer wieder und es war sehr mild. Am Abend sackte die Temperatur gegen 20 Uhr plötzlich um mehrere Grad ab, innerhalb einer Minute ging der mäßige Regen in extrem starken Schneefall über. Trotz der vorhandenen Nässe dauerte es keine fünf Minuten, bis der Boden komplett weiß war. Gleichzeitig gab es bereits am Abend des 28. Meldungen aus dem nördlichen Schleswig-Holstein über erste Schneeverwehungen und liegengebliebene Fahrzeuge. Am Morgen des 29. ging dann auch in den südlichen Landesteilen praktisch nichts mehr. Am schlimmsten betroffen waren die schleswig-holsteinischen Landkreise Nordfriesland, Schleswig-Flensburg, die Stadt Flensburg, der Norden des Kreises Rendsburg-Eckernförde sowie die Kreise Plön und Ostholstein mit der Ostseeinsel Fehmarn. Vielfach wurde Katastrophenalarm ausgelöst und ein Fahrverbot verhängt. Vom 29. bis zum 31. Dezember gab es vor allem im Kreis Schleswig-Flensburg verbreitete Stromausfälle in insgesamt 66 Orten. Bis zu 30.000 Helfer waren im Einsatz, darunter auch mehrere tausend Soldaten mit einigen Panzern, die aber ebenfalls oft steckenblieben. Leider kamen durch den Schneesturm in Schleswig-Holstein auch mehrere Menschen ums Leben. Nachrichten aus dem ebenfalls betroffenen Mecklenburg-Vorpommern trafen nur nach und nach ein, hier herrschten vor allem auf Rügen chaotische Zustände.

Insgesamt 10 Fotos aus Großenwiehe in der Nähe von Flensburg finden Sie auf einer gesonderten Seite, links nur ein kleiner Vorgeschmack. In dem Ort fiel am 28./29. Dezember die Stromversorgung aus, die in der Umgebung teilweise erst 3 Tage später wieder hergestellt werden konnte. Zudem galt bis zum 08. Januar 1979 ein allgemeines Fahrverbot.
Schnee Februar 1979
Rügen 15.02.79 © by Egon Nehls

Schnee Februar 1979
Nichts ging mehr (Fototasche wehte vor die Linse)

Schnee Februar 1979
4-5m Schneewehen in Schl-Holst.

Wetterlage Februar 1979
Wetterlage 14.02.1979, 00 UTC

Husum Februar 1979
Husum (Jochen Scheel)

Schneehöhen am 16.02.79
Schneehöhen am 16.02.79 (FU Berlin)

Schnee Mai 1979
Schneenachschlag Anfang Mai 1979
Der Schneesturm im Februar:
Um den 10. Februar herum lagen in Schleswig-Holstein noch immer überall die Schneeberge, die sechs Wochen zuvor nach dem ersten Schneesturm zusammengeschoben waren. Auch die Gräben und Senken waren oft noch mit Schnee gefüllt. Als am Dienstag, den 13. Februar, der Schneefall erneut einsetzte, gab es bereits nach kurzer Zeit neue Verwehungen. Näheres zur Wetterlage im Februar 1979 auf einer eigenen Seite.
Am nächsten Morgen war der Verkehr in weiten Teilen Norddeutschlands zusammengebrochen. Im Gegensatz zum Schneesturm zum Jahreswechsel waren diesmal auch das südliche Schleswig-Holstein sowie große Teile Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns von den schlimmsten Schneeverwehungen betroffen. In sämtlichen Landkreisen Schleswig-Holsteins wurde Katastrophenalarm ausgelöst und ein Fahrverbot wurde verhängt. Ausgenommen davon waren nur die Stadtgebiete von Flensburg und Lübeck. Bereits am Mittwochmorgen wurde die Bundeswehr alarmiert. Dennoch kommen erneut einige Menschen ums Leben und tausende Reisende bleiben im Schnee stecken. Schildern möchte ich auch die eigenen Erlebnisse aus dem kleinen Ort Neuenbrook bei Itzehoe. Hier waren 120 Menschen gestrandet, die mit einem von den Einsatzkräften am Mittwochabend zusammengestellten Konvoi steckengeblieben sind, obwohl dieser von Schneepflügen und -fräsen begleitet wurde. Nachdem sich zwei LKW festgefahren hatten, blieben rund 80 Fahrzeuge im Schnee stecken. Mitten in der Nacht musste die örtliche Feuerwehr die frierenden Menschen - meist LKW-Fahrer - befreien und im Ort unterbringen. Erst am Wochenende konnten die Fahrzeuge wieder auf den Weg gebracht werden. Viele Fotos und einen ausführlichen Bericht aus den Tagen finden Sie hier.

In diesen Tagen spielten sich in Norddeutschland viele Tragödien ab. Die Menschen rückten aber auch näher zusammen. Der eine Nachbar hatte noch ausreichende Lebensmittelvorräte, der andere noch einen alten, funktionierenden Ofen. Der Schneesturm schweißte die Bevölkerung in dem Ort mit nicht einmal 700 Einwohnern zusammen. Noch heute bestehen Kontakte zu einigen der damals gestrandeten Reisenden.

Die Auswirkungen des zweiten Schneesturms innerhalb von nur 6 Wochen waren auch in Niedersachsen sehr schlimm. Auch hier waren Orte von der Außenwelt abgeschnitten, darunter Städte wie Bremerhaven und Cuxhaven. Zahlreiche Kreise gaben Katastrophenalarm und verordneten ein Fahrverbot. In Ostfriesland brach die Stromversorgung teilweise zusammen und sogar die Autobahn A 2 Hannover - Dortmund musste wegen liegen gebliebener Fahrzeuge komplett gesperrt werden. Ähnlich schlimm sah es in Mecklenburg-Vorpommern aus. Die Insel Rügen war praktisch abgeschnitten. Viele Bilder von Egon Nehls finden Sie hier. Die damalige Nationale Volksarmee war im Dauereinsatz. Was vielen nicht bekannt sein dürfte, sind die Auswirkungen des Schneesturms im Norden Hollands. Darüber erscheint demnächst noch ein Bericht, sobald mehr Bilder und Beschreibungen vorliegen.

Einige Links zum Winter 1978/79:

Übersicht:
Vor 40 Jahren: Der Norden versinkt im Schnee (NDR)
Gefangen im Reich aus Eis und Schnee (Spiegel Online)

Zur Wetterlage:
Schneekatastrophe 78/79: Extreme meteorologische Strukturen (M.Jaeneke, WZ-Forum
Schneekatastrophe 78/79: Entwicklung + Strukturen (M.Jaeneke, WZ
Schneekatastrophe 78/79: Vorentwicklung+Analogien (M.Jaeneke, WZ
Schneekatastrophe 78/79: Was konnten die Modelle? (M.Jaeneke, WZ

Fernsehberichte von 1978/79:
Eingeschneit und festgefroren: Als der Norden im Schnee versank (NDR, 09.01.19)
Schneekatastrophe 1978/79 (YouTube)
Protokoll einer Katastrophe (NDR)
Was den Norden bewegte (YouTube/NDR)
Tagesschau vom 29.12.1978 zum Schneechaos in Norddeutschland (YouTube/Tagesschau)
Tagesschau vom 30.12.1978 zum Schneechaos in Norddeutschland (YouTube/Tagesschau)
Tagesschau vom 31.12.1978 zum Schneechaos in Norddeutschland (YouTube/Tagesschau)
Tagesschau vom 01.01.1979 zum Schneechaos in Norddeutschland (YouTube/Tagesschau)

Bilder und Berichte aus Schleswig-Holstein:
Erlebnisbericht von Thomas Sävert
Bilder aus Flensburg von Walter Ebsen
Erlebnisbericht aus Schleswig (Martin Neujahr, WZ)
Bilder aus Witzwort bei Husum
Schneekatastrophe in Ostholstein von Carsten Hauch
Ostholstein im Schnee
Schneekatastrophe in Bad Oldesloe von Hans-Herbert Kahl
Als Sibirien nach Schleswig-Holstein kam (SHZ, 09.12.08)

Hamburg:
Erlebnisbericht aus Hamburg (H.Bielow-Rehfeldt)
Erlebnisbericht von Uwe Zirpel

Niedersachsen:
Bilder aus Cuxhaven (Gerd Demgen)
Dokumentation Schnee, Cuxhaven im Februar 1979 (YouTube)
Schnee 1978/79 im Wangerland (Dit un dat)
Die Schneekatastrophe im Winter 1978/1979 (Ostfriesland entdecken)
Schneekatastrophe im Winter 1978/79 in Ostfriesland (YouTube)

Mecklenburg-Vorpommern:
Winter 1978/79 auf Rügen (Egon Nehls)
Fotos aus Poseritz / Rügen (Dieter Mögelin)
Februar 1979 auf Usedom
Fotos zum Jahreswechsel aus Binz/Rügen
Schneekatastrophe Jahreswechsel 1978 / 1979 (Jürgen Pons, WZ-Forum)
Das Winter-Wunderkind (Spiegel Online)
Der Katastrophenwinter 1978/79 (YouTube)
Winter 78 / 79 in DDR & BRD (YouTube)
Ruegen versinkt im Schnee Winter 1978-1979 (YouTube)

Weitere Regionen in der ehemaligen DDR:
VEB Braunkohlenwerk Harbke bei Helmstedt

Übriges Deutschland:
Fürwiggetalsperre im Sauerland (Thomas Keuthen)
Schneepflugeinsatz in der Bahnmeisterei Wustermark (WSL`s Bilderbogen)

Dänemark:
Snestormen 1978/79 (TV 2)

Niederlande:
Herinneringen aan de winter 1978 - 1979 (Johan Effing)
Nederland ingesneeuwd (YouTube)
Zware dooi na strenge winter 1978-1979 (YouTube)
Winter in Groningen 1978/1979 (YouTube)
Vlieland in de sneeuw 1978/ 1979 (YouTube)
Nederland ingesneeuwd 1979 (Facebook)

Weitere Links:
Schneekatastrophe 1978/79 (Jürgen Vollmer)
Schneechaos Winter 1979 (YouTube)

Literatur zum Winter 1978/79:
- "Der große Schnee", Helmut Sethe, Husum Druck- und Verlagsges.
- "Sneeuw Boek", Martin Scholma en Folke Meijer, Groningen, Feb.79
- "Witboek Friesland", Lutsen Kooistra en Klaas Jansma, De Tille b.v., Leeuwarden
Friesch Dagblad, Leeuwarden. Maart 1979
- "Den store snestorm"; Peterson, Hans / tekst af Hans Peterson ; billeder af Harald Wiberg - - Gentofte : IBIS, 1978 - 41 dias: farve ; 24×36 mm

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